Was wird aus der Sozialdemokratie?-Ein kritischer Kommentar zu den Ergebnissen des SPD-Sonderparteitages

Marco Warmt

Martin Schulz begreift den Entscheid des Bundesparteitages am vergangenen Sonntag der SPD für die Aufnahme zu Koalitionsverhandlungen mit CDU/CSU als einen klaren Vertrauenszuschuss für die anstehenden Aufgaben. Nicht nur das der vielzitierte Vertrauenszuschuss auf knapp über 55% der Delegierten basiert, er hinterlässt auch eine gespaltene SPD mit einem uneinheitlichen Blick für die Zukunft. Vor allem die Sozialdemokrat*innen selbst sollten von der herrschenden Situation in Furcht geraten.

Noch kann das von 4 Jahren großkoalitionärer Kürzungs- und Privatisierungspolitik gebeutelte Land relativ entspannt den Vorgang der Regierungsfindung betrachten, die Situation ist wohl bekannt und scheint als Revue von 2013 prägnant in den Köpfen der Menschen vorzuherrschen. Die Union hat sich nach den 8,6% Verlusten bei der Wahl vollkommen zu Recht wieder als die größte aller großen Volksparteien gepriesen. Wozu auch die Politik der letzten 4 Jahre in Frage stellen wenn man gerade wieder eine Wahl gewonnen hat und Mutti gerne weitere 4 Jahre bundesrepublikanische Verwaltungspolitik im Kanzler*innenamt machen möchte. Solange Dobrindt seine konservative Revolution fordern darf und Söder seine Obergrenze erhält ist auch am bayrischen Hofe die Lage entspannt. Sollte die CSU dann mal versuchen christlich proeuropäisch auftreten zu wollen, wird kurzer Hand der gute Kamerad Orban aus Ungarn eingeladen um auf ein vereintes Europa zu hetzen.

Nachdem sich Lindner auf einer Regierungsbank wohl zu unattraktiv gefühlt hätte, war nun die SPD gefragt und die Findung der klaren Antwort scheint auch nach dem heutigen Tage, eher die Überforderung der Großmutter der deutschen Parteienlandschaft zu bedeuten, als der große politische Sprung für die nächsten 4 Jahre.  Dabei wäre die konsequenteste aller Antworten doch auch die leichteste und für die Wähler*innen nachvollziehbarste gewesen: #NOGROKO
Martin Schulz und seine nicht ausgetauschte bzw. veränderte SPD scheint sich als Meisterin des Wortbruches hervortun zu wollen und auf den Köpfen aller Wähler*innen aber vor allem  der eigenen all die Versprechen nach der Wahl verpuffen lassen zu wollen.

Gott sei dank gibt es da den „Zwergenaufstand“. Die jungen wilden Jusos die noch so kompetent und seriös für eine konsequent linke Volkspartei unter der Marke Brandt werben und auftreten dürfen, dienen der SPD-Spitze letztlich ja vor allem als „Werbetrommel“ für „schulzische“ Wahlkämpfe um junge Menschen zu mobilisieren, doch tatsächlich die Partei des  „anti-jugendlichen“ zu unterstützen. Dabei darf man vor allem die Regierungspolitik der letzten 4 Jahre, aber auch das Sondierungspapier betrachten.

Jetzt mal ernst: Die SPD hat auf ihrem Parteitag eine proeuropäische Agenda ausgerufen und die tiefe Solidarität mit allen Demokrat*innen in Europa. Man kann der SPD nur raten nach Frankreich zu schauen. Die Parti Socialiste, die französische Sozialdemokratie, durfte bei der letzten Parlamentswahl spüren was passiert, wenn die Menschen realisieren, dass eine sozialdemokratische Volkspartei keine sozialdemokratische Politik mehr macht. Mit 8% landete sie weit hinter dem rechtsradikalen Front national und der linken Alternative des Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon.

Die deutsche Sozialdemokratie muss aufwachen, sich besinnen, schon aus demokratischen Bestimmungen heraus feststellen: Eine Große Koalition die die Menschen bewusst abgewählt haben (-13,8% insgesamt), kann keine weitere Lösung sein. Wer nicht möchte, dass Rechtsaußen Parteien ihren Weg in immer höhere politische Hemisphären finden, der muss zu seinem eigenen Wort den Wähler*innen gegenüber aber auch gegenüber der eigenen politischen Agenda stehen.

Es bleibt zu hoffen, dass die SPD Basis den großkoalitionären Zug stoppen wird, sonst müssen wir früher oder später auch in Deutschland gegen eine Schwarz-Blaue Bundesregierung auf die Straßen gehen. Eine Minderheitenregierung ist möglich, Neuwahlen zumindest nicht abzulehnen und der moralische Widerstand gegen weitere 4 Jahre großkoalitionäres Verwalten statt Handeln Pflicht!